"Wo ist Papa"
Vier Frauen in Stuttgart, in ganz Baden-Württemberg noch einmal 30: Das was diese Frauen beschäftigt, worunter sie leiden, viele verzweifeln, was ihnen den Lebensmut und die Lebensenergie nimmt, "für die Welt ist das nichts", sagt Fritz Weller, Bereichsleiter Migration und Integration im Caritasverband für Stuttgart e.V. "für die Frauen ist das ihre ganze Welt".
"Baden-Württemberg hat Jesidinnen gerettet, indem das Land 1100 Frauen und Kinder aus dem Nordirak nach Deutschland geholt hat" - so titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung im November 2015. Das Schicksal dieser Frauen, die im Nordirak unfassbarer Gewalt ausgesetzt waren machte weltweit Schlagzeilen und die außergewöhnliche Aktion Baden-Württembergs zeigt, dass es gehen kann: Menschen, die in großer Not sind, muss und kann man helfen. Auf der offiziellen Seite des Landes Baden-Württemberg ist heute noch zu lesen: "Baden-Württemberg hat auf Initiative des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann als einziges Bundesland über ein eigenes Sonderkontingent tausend Frauen und Mädchen aus dem Nordirak aufgenommen, die besonders schutzbedürftig sind. Viele von ihnen sind jesidischen Glaubens und wurden deshalb von den Kämpfern der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) mit brutalsten Methoden verfolgt. Nun sind sie in 22 Kommunen im Land untergebracht, wo sie in Sicherheit leben können und auch therapeutisch begleitet werden." Eine Jesidin, die sich für ihr Volk einsetzte, selbst der Gewalt ausgesetzt war, hat für ihren Kampf im letzten Jahr sogar den Friedensnobelpreis bekommen. Juristisch vertreten wird die junge Frau von Amal Clooney, der Frau des Hollywoodstars George Clooney. Und in der Stuttgarter Zeitung im Rahmen der Friedensnobelpreisverleihung war die Überschrift zu lesen: "Der Stuttgarter Anteil am
Friedensnobelpreis". Baden-Württemberg hat, auch in Person von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, viel für diese Frauen getan. Doch jetzt fühlen sich die Frauen allein gelassen. Layla (Name von der Redaktion geändert) lebt seit 2015 in einer des Caritasverbandes für Stuttgart e.V., der damals auch die Betreuung der Frauen in Stuttgart übernommen hat. Layla ist verzweifelt, krank und wenn sie über das spricht, was sie bewegt, dann muss sie all’ ihre Kraft zusammen nehmen, damit das Weinen nicht ihre Worte überdeckt. Denn Layla wartet seit drei Jahren darauf, dass ihr Mann, der im Moment in einem Camp im Nordirak leben muss, zu ihr und zu den drei Kindern kommen darf. Die Kinder, sie sind sechs, neun und zehn Jahre alt, fragen immer wieder: "Wann kommt Papa?" und manchmal da wollen sie auch gar nicht mehr fragen, nichts mehr wissen von Papa, weil sie die Hoffnung, ihn wieder bei sich zu haben, vielleicht schon verloren haben. Man habe den Frauen bevor sie nach Deutschland kamen zugesagt, dass sie nach zwei Jahren "einen Rechtsanspruch auf Ehegatten Nachzug haben", sagt Fritz Weller. Nach der großen humanitären Rettung kamen dann aber die Mühen der bürokratischen Ebenen: Die Frauen haben nur einen Aufenthaltstitel nach §23 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz. Das bedeutet, dass der Familiennachzug nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen möglich ist, "die Aufenthaltserlaubnis darf dem Ehegatten und dem minderjährigen Kind….nur aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen…erteilt werden." Die Entscheidung darüber kann nur auf politischer Ebene gefällt werden, was in Baden-Württemberg der Innenminister oder aber der Ministerpräsident tun müsste. Und die Frauen müssen Voraussetzungen erfüllen, die beinahe zynisch klingen: So müssen sie einen Arbeitsvertrag vorlegen, der zeigt, dass sie für ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen können. Die Frauen, schwer traumatisiert, in einer Welt, die sie langsam erst kennen lernen, sollen gute Deutschkenntnisse haben und damit ihr Mann kommen darf, über ausreichend eigenen Wohnraum verfügen. Für Layla unmöglich und für eine andere Frau mit fünf Kindern ebenso. So ist die Mutter mit ihren Kindern in Stuttgart alleine. Fühlt sich wunderbar aufgehoben im Liebfrauenheim - es sind seltene Moment wenn sie lächelt: Wenn sie vom Leben im Haus erzählt und Brigitte Mostisch, Sozialarbeiterin im Haus, sanft über die Haare streicht und ein Blatt rausfischt, das sich dort verfangen hat. Dann aber legt sich wieder ein Schleier unendlicher Traurigkeit über ihr Gesicht. "Alleine ist es nicht gut. So lange gewartet. Ich nehme viele Tabletten." Die Worte kommen nur leise und zögerlich. Aber bei jedem, der sagt, er versuche zu helfen, bedankt sie sich so herzlich, als wäre das Wunder schon geschehen. Das kann aber nur geschehen, wenn die Politiker zu dem stehen, was sie vor vier Jahren begonnen haben: aus Menschlichkeit Menschen helfen.