Jahresbericht 2022/23
Unser Hilfesystem braucht Eckpunkte, denn Ansprüche auf Unterstützung müssen über bestimmte Kriterien definiert werden können. Unser Berufsalltag zeigt oft aber auch, dass dies in vielen Fällen nicht passt. Denn die Gründe dafür, warum ein Mensch hilfebedürftig ist oder wird, sind so vielschichtig wie die einzelnen Menschen selbst. Obdachlosigkeit beispielsweise ist niemals ein Problem, das für sich steht. Es gibt Gründe dafür, warum ein Mensch keine Wohnung (mehr) hat. Vielleicht sind es psychische Probleme oder eine Suchterkrankung. Oder denken wir an geflüchtete Menschen. Sehr häufig brauchen sie nicht nur Unterstützung beim Ankommen in einem anderen Land. Was sie auf oder vor der Flucht erlebt haben, war für viele fürchterlich und traumatisierend. Ihnen einen Deutschkurs und eine Wohnung zu besorgen, heilt noch keine Wunden.
Unsere Aufgabe in der Arbeit mit den Menschen ist es, sie in ihrer Vielschichtigkeit zu sehen und zu verstehen, warum sie als Außenseiter oder Außenseiterin angesehen werden. Denn nur so gelingt es uns auch, die Grenzen des Hilfesystems zu erkennen und zu versuchen, neue, individuelle Angebote zu schaffen, die die Lebensqualität von Menschen hier in Stuttgart verbessern. Das verlangt ein hohes Maß an Professionalität unserer Fachkräfte, da sie ständig gefordert sind, für ihre Klient*innen gute und passgenaue Lösungen zu finden. Das bedeutet in vielen Fällen eine bereichsübergreifende und multiprofessionelle Zusammenarbeit. Innovation und Flexibilität sind entscheidender denn je, Angebote müssen überdacht und neu gedacht werden. Gleichzeitig ist Professionalität ein Garant dafür, dass auch die Menschen bei uns Hilfe und Unterstützung erfahren, deren Verhalten im Sinne gesellschaftlicher Normen keinesfalls mehr tolerierbar ist.
Voraussetzungen dafür, dass Fachkräfte so wirken können, sind eine fundierte Ausbildung, regelmäßige Weiterbildungen und Instrumente zur Selbstreflexion und Evaluation. Gleichwohl wird es immer schwieriger, Fachkräfte zu finden. Der soziale Bereich - ganz besonders in den pflegerischen Berufen - ist in unserem Land der am massivsten vom Fachkräftemangel betroffene. Vor allem in der Altenhilfe wird es zu Versorgungsengpässen kommen, wenn nicht in neue Richtungen gedacht wird und neue Wege beschritten werden.
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