Mitten drin: Das gemeindepsychiatrische Zentrum ist in die Brückenstraße nach Bad Cannstatt gezogen
Uwe Hardt und Dr. Klaus Obert vom Caritasverband für Stuttgart, Hausleitering Claudia Reinhardt, Sozialbürgermeister Werner Wölfle und Bezirksvorsteher Bernd-Marcel Löffler (v.l.)
"Einrichtungen, die mitten unter den Menschen sind, kann es gar nicht genug geben", so Caritasdirektor Uwe Hardt bei seiner Begrüßung. Sein Dank ging an die Mitarbeitenden ebenso wie an Werner Wölfle, als Vertreter der Landeshauptstadt. Gemeinsam könne man stolz sein, so Wölfle, "in Stuttgart ein herausragendes Angebot" für psychisch kranke Menschen zu haben. Wölfle lobte das "kluge Zusammenwirken der beteiligten Träger", die alle mit dazu beitragen, dass im Sinne der betroffenen Personen in den Zentren gearbeitet wird.
Bärbel Nopper, von der Initiative Psychiatrie Erfahrene und Offene Herberge, betonte in ihrem Grußwort, wie wichtig solche Zentren für die Betroffenen seien, wenn auch für den Einzelnen "hoffentlich nicht lebenslang". Psychische Erschütterungen, so machte es die studierte Agrarbiologin und Mutter von drei Kindern den Anwesenden deutlich, können jeden treffen. Zentren, wie das GPZ in Bad-Cannstatt, "unterstützen die betroffenen dabei, wieder Fuß zu fassen und bieten eine individuelle Begleitung in allen Lebenslagen".
Das offene Konzept "psichiatria democratia" beim Caritasverband für Stuttgart
Seit rund 30 Jahren gibt es in Stuttgart sozialpsychiatrische Dienste. Dr. Klaus Obert, Bereichsleiter der Sucht-und Sozialpsychiatrischen Hilfen im Caritasverband, führte die Gäste durch die Geschichte dieser Zentren und mahnte in seinem Vortrag mit Blick in die Zukunft auch: "Die offene, sozialpsychiatrische Haltung, der Schlüssel, der auf- und nicht zuschließt, ist kein Selbstläufer und stellt sich nicht von selbst ein."
Diese offene sozialpsychiatrische Haltung begann in Stuttgart 1982. Mit damals zehn Mitarbeitenden startete das Modellprogramm der Landesregierung zum Ausbau der außerstationären Versorgung. In einer "Zeit des Aufbruchs", so Obert, sah man sich mit diesen neuen Konzepten dem Widerstand, auch von Nervenärzten, ausgesetzt. Doch mit den neuen, offenen Konzepten war man auch in Stuttgart Teil einer europaweiten Bewegung: Frankreich, England und wegweisend auch die Praxis und das Konzept der italienischen "psichiatria democratica" mit der "konsequenten Überwindung der psychiatrischen Anstalt" wiesen den Weg.
Man betrachtet nun den Menschen als Subjekt, das geprägt wird auch durch seine individuelle Lebenswelt. Die Entwicklung ging damals weg von der gemeindefernen Unterbringung hin zu einer gemeindenahen. "Im Herzen von Bad Cannstatt", statt weit draußen vor den Toren der Stadt.
"Sozialpsychiatrie", so Dr. Klaus Obert in seinem Vortrag, "ist die moralisch-ethische gesellschaftskritische Antwort auf das einseitig naturwissenschaftlich bestimmte Defizitmodell in Verbindung mit dem Euthanasieprogramm der Nazis und er damit einhergehenden Tötung und Vernichtung sogenanntem lebensunwerten Lebens." "Institutionskritik", so Klaus Obert "ist deshalb auch immer Gesellschaftskritik".
Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes steht an erster Stelle
Klaus Obert zeigte in seinem Vortrag die Strukturen und Hilfen auf, die sich im Laufe der letzten drei Jahrzehnte entwickeltet haben, beschrieb die Ziele und die daraus sich ergebenden Aufgaben der Hilfeplankonferenz und formulierte die Aufgaben für die Zukunft. Ganz oben stehe die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG), gefolgt von der Weiterentwicklung sogenannter stationsäquivalenter Behandlungen, die "die Krankenhausbehandlung im Wohnzimmer". Die Kultur der Sozialpsychiatrischen Hilfen bleibe eine Herausforderung und müsse auch im Sinne einer "permanenten und kritischen Selbstreflexion" gepflegt werden. Dr Klaus Obert sieht Stuttgart dafür gut gerüstet: "Da wir, das heißt alle Akteure jenseits aller Konkurrenzen und Unzulänglichkeiten, hier in Stuttgart eine gemeinsame Verantwortung wahrnehmen und umsetzen, bin ich davon überzeugt, dass wir diese Herausforderungen auch gemeinsam bewältigen und dies mit der Grundhaltung, dass ein Schlüssel vorrangig zum Aufschließen dient."
Den kompletten Vortrag können Sie hier als pdf herunterladen.