Erste Schritte in die digitale Welt
Für die beiden Mädchen ist die Entscheidung klar: Sie greifen spontan zur Minnie Maus. Die zwei Jungs wissen auch schnell, was sie wollen: Spider-Man. Für das "Lernlabor DigiTales" (übersetzt "digitale Geschichten") in der Kita Im Seelberg in Stuttgart-Bad Cannstatt hat Agnes Wagner die Gesichter von verschiedenen Comicfiguren kopiert. Nachdem sie ihre Wahl getroffen haben, beginnen die Kinder eifrig, diese anzumalen. "Heute wollen wir Fotos mit der Digitalkamera machen", erklärt ihnen die Medienpädagogin. "Aber wir fotografieren uns nicht so, wie wir in echt aussehen, sondern mit unseren Masken. Wir probieren mal aus, ob wir uns gegenseitig erkennen, auch wenn wir unser Gesicht nicht zeigen."
Kinder sind an neuen Medien interessiert
Seit September 2017 findet das Lernlabor jeden Mittwoch in der Kita statt, vormittags und nachmittags. Es ist ein für zwei Jahre angelegtes Pilotprojekt, das Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren an einen kompetenten und gleichzeitig maßvollen Umgang mit digitalen Medien heranführen soll. Sie können frei wählen, ob sie daran teilnehmen möchten oder in der Zeit lieber etwas anderes machen. Das Besondere: Agnes Wagner konzipiert nicht nur die Lerninhalte, sondern evaluiert parallel dazu Verlauf und Wirkung des Projekts. Probleme, genügend Teilnehmende zu finden, hat sie nicht: "Fast alle Kinder interessieren sich für das Thema und sind gerne dabei. Wir haben mit der Kamera schon verschiedene Emotionen festgehalten, ein Medien-Memory und ein Daumenkino gebastelt und wir hatten Gesprächskreise zu unseren Erfahrungen mit Fernseher und Smartphone. Einmal haben wir auch Roboter gespielt und uns gegenseitig durch Berührungen gesteuert." Für ihre Arbeit kann die Medienpädagogin des Caritasverbandes für Stuttgart e. V. auf eine gut ausgestattete Materialbox zurückgreifen: Videokamera, Digitalkameras, Aufnahmegeräte, Tablets, Notebook und verschiedene Bastelsachen lassen keine Wünsche offen.
Prävention muss schon im Kleinkindalter beginnen
Inzwischen sind die Kinder mit ihren Masken fast fertig. Während sie diese auf stabile Pappe kleben, ausschneiden und einen Haltestab daran befestigen, erzählt einer der 5-jährigen Jungen ganz nebenbei: "Früher wollte meine Mama nicht, dass ich Zombie-Filme schaue. Aber ich hab’s trotzdem gemacht. Ich hab’ halt das Handy vom Papa genommen." Und nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: "Im Bett vor dem Schlafen gucke ich auch mal Filme auf dem Handy vom Papa." Wenn Steffen Heil von der Auerbach Stiftung so etwas hört, fühlt er sich bestätigt: "Ursprünglich war DigiTales ein Projekt für Grundschulen. Nach der erfolgreichen Pilotphase haben wir über die Medienpädagogen des Caritasverbandes Stuttgart inzwischen 40 Schulen im Großraum Stuttgart mit 80 Medienkoffern ausgestattet. Dabei haben wir festgestellt, dass man mit der Präventionsarbeit schon viel früher beginnen muss, weil bereits Kleinkinder zu Hause ganz selbstverständlich mit Smartphone, Tablet, Fernseher und Sprachassistentin aufwachsen." So entstand die Idee zu DigiTales für Kitas.
Fachkräfte und Eltern werden miteinbezogen
Da die Pilotgrundschule bei der Kindertagesstätte Im Seelberg direkt um die Ecke war, lag es nahe, dort anzufragen. Die Leiterin, Simone Lehnig-Bauer, war aufgeschlossen für dieses in Deutschland bislang einzigartige Projekt, da auch sie im täglichen Umgang mit den Kindern den Bedarf einer frühzeitigen Medienbildung wahrgenommen hatte: "An DigiTales überzeugt mich besonders, dass es aus drei Säulen besteht: Die Arbeit mit den Kindern ist eine davon, aber noch viel wichtiger ist, dass man die Eltern für das Thema sensibilisiert und die pädagogischen Fachkräfte schult. Nur gemeinsam können wir einem unkontrollierten und problematischen Medienkonsum vorbeugen und einen verantwortungsvollen Umgang mit Medien erreichen."
Auch ein Handy braucht mal Pause
DigiTales ist eine Kooperation der Auerbach Stiftung mit dem Caritasverband für Stuttgart e. V., die das Projekt gemeinsam finanzieren. Prävention hat für die Arbeit der Auerbach Stiftung einen hohen Stellenwert. Daher hat sie eigene Produkte entwickelt, die Kindern ohne erhobenen Zeigefinger eine gute Mediennutzung nahebringen. Zum Beispiel das Handybett, das man einfach zusammenstecken und mit witzigen Stickern bekleben kann. Mit der passenden App deckt sich das Handy sogar zu und schläft genüsslich ein. Den Kita-Kindern leuchtet sofort ein, wofür das gut ist. "Meine Mama ist die ganze Zeit am Handy", kommentiert ein Mädchen beim Aufbauen des Handybetts, "sie spielt und schreibt und telefoniert." Am liebsten würde sie das Bett gleich mitnehmen: "Dann kann ich Mama sagen, das Handy muss sich jetzt ausruhen." Steffen Heil versichert ihr, dass demnächst ein großes Paket der Auerbach Stiftung ankommt, das für jedes Kind nicht nur ein Handybett enthält, sondern auch Minibücher mit Geschichten von Paula & Max: Zwei Geschwistern, die ihren Eltern zeigen wie gut sich das anfühlt, wenn man nicht immer nur aufs Handy schaut - denn weniger Zeit am Display bedeutet mehr Zeit füreinander.