Die guten Seelen
Gerade einmal 21 Jahre alt ist Kochuthresia Kudiyirippil, als sie 1966 dem Beispiel ihrer älteren Schwester folgt und in ihrem Heimatland Indien ins Kloster der "Adoration Sisters" eintritt. Zwei Jahre später legt sie mit 27 Mitschwestern ihr Ordensgelübde, die Profess, ab. Zu diesem Zeitpunkt ahnt sie noch nicht, dass ihr künftiges Leben sich nur ein Jahr später tausende Kilometer von ihrer Heimat entfernt abspielen wird: in Deutschland. Ihre Oberin hat es so bestimmt. Schwester Theresia macht sich auf den Weg, der ihr aufgezeigt wird, kommt zunächst nach Gladbach, wo sie eine Ausbildung zur Krankenschwester absolviert, und gelangt schließlich 1987 zum Caritasverband nach Stuttgart, wo sie 24 Jahre lang im Haus St. Monika gemeinsam mit anderen Schwestern ihres Ordens ihren Dienst verrichtet. Heute, mit 73 Jahren, lebt sie mit einigen Mitschwestern im Konvent in Waiblingen. Dort feiert sie in diesem Jahr ein ganz besonderes Jubiläum - ihre 50. Profess.
Anfang der 1980er Jahre ist es der Stuttgarter Caritasdirektor Pater Josef Jaksch, der Kontakte nach Indien knüpft. Seither bestehen sogenannte Gestellungsverträge mit den beiden Orden der Bethany Sisters - Sisters of the Imitation of Christ und der Adoration Sisters in Indien sowie übrigens auch mit dem Orden der Dienerinnen Christi in Kroatien. Immer wieder entsenden sie Schwestern nach Stuttgart, von denen die meisten der aktuell 31 indischen Ordensschwestern in den Einrichtungen der Altenhilfe und einige wenige in der Behindertenhilfe bei der Caritas in Stuttgart tätig sind. Mit ihren Ausbildungen in der Krankenpflege arbeiten sie im normalen pflegerischen Alltag der Häuser St. Monika, St. Barbara, Adam Müller-Gutenbrunn und - und bis zur Betriebsunterbrechung 2015 auch Martinus - mit. Doch sie sind noch weit mehr: Seelsorgerinnen, die stets ein offenes Ohr haben oder eine Hand bieten, wo Halt gebraucht wird. Einfach die guten Seelen der Häuser.
Mit ihren 73 Jahren die Dienstälteste der Adoration Sisters ist Schwester Theresia. Amma, Mutter, wird sie von ihren Mitschwestern liebevoll genannt. Damit ist sie für die anderen Schwestern auch ein Stückchen Heimat, die so weit weg von zuhause, von der Familie eben manchmal fehlt. Bei der Feier ihrer 50. Profess erinnert sich Schwester Theresia noch gut daran, wie schwer es damals, vor fast 50 Jahren, war, ihre Heimat und ihre Familie zu verlassen, die sie nur etwa alle zwei Jahre bei ihren Besuchen in Indien sieht. Einzutauchen in eine völlig fremde Kultur. In einem Land Fuß zu fassen, dessen Sprache sie nicht beherrschte. Doch heute, sagt Schwester Theresia und lächelt, sei sie längst angekommen. Wie sehr, das beweisen an ihrem Ehrentag die zahlreichen Weggefährten, die Schwester Theresia in ihren 24 Jahren im Haus St. Monika kennen- und schätzen gelernt haben. Eine Frau, die, wie Pfarrer Franz Klappenecker beim Gottesdienst anlässlich der Profess-Feier in sehr persönlichen Worten sagt, durch tiefe Bescheidenheit und große Herzlichkeit gekennzeichnet ist.
Eine Herzlichkeit, die Caritasdirektor Uwe Hardt immer verspürt, wenn er in den Einrichtungen auf die Schwestern aus Indien trifft. Mit ihrer Anzahl von knapp über 30 machen sie nur einen kleinen Teil der insgesamt 1800 Caritasmitarbeitenden aus. Dafür ist die Aura, die die Schwestern versprühen, umso größer. Mit ihnen und in ihrer Gegenwart fühle er sich wohl. Und durch ihre Anwesenheit, ihre Art, sei in den Häusern eine andere Haltung zu spüren. Uwe Hardt sagt: "Es ist ein Segen, dass Sie bei uns sind. Und Sie sind wahrhaftig ein Segen für die Menschen, um die es uns geht."