Die freien Träger in Stuttgart nehmen zum Haushaltsentwurf
des Jugendamtes Stuttgart Stellung:
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Dienste freier Träger mit Zuwendung
Die Haushaltsplanung 2008-2009 des Jugendamtes ist unter anderem ausgerichtet auf folgende Zielsetzungen des Sozialreferates:
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Soziale Infrastruktur als Standortfaktor – Bedarfsgerechte
Sicherung der sozialen Infrastruktur für die Bevölkerung durch Erhalt, Ausbau
und Weiterentwicklung (zitiert aus der Vorlage 785/2007)
·
Anpassung der Angebote an die demographische Entwicklung,
Sicherung einer ausgewogenen familien-, senioren- und behindertenfreundliche Gesundheits-
und Sozialpolitik, Entwicklung und Erprobung Generationen verbindender Modelle
·
Effizienter und effektiver Einsatz der verfügbaren
Ressourcen zur Sicherung der kommunalen Daseinsvorsorge
Die Dienste der Träger tragen mit ihrer Arbeit zur Realisierung der angeführten
Ziele bei. Der effiziente und effektive Einsatz der Ressourcen ist den zur
Wirtschaftlichkeit und Kostendeckung verpflichteten Trägern eine zentrale
Verpflichtung.
Laut der
Beratungsvorlage werden nur für den Bereich Förderung der freien Träger
Preissteigerungen von 1% berücksichtigt.
Nach
unserer Kenntnis berücksichtigt die Stadt für ihre eigenen Personalkosten eine
Steigerung von 2%, bei den Sachkosten werden Energiekostensteigerungen
gesondert berücksichtigt. Kosten aus der Mehrwertsteuererhöhung 2007 werden
nicht gesondert berücksichtigt.
(1) Die
genannte Berücksichtigung von Preissteigerungen in der Vorlage ist nicht
nachvollziehbar, wir bitten deshalb um Erläuterung. Wie wurden 1%
Preissteigerung ermittelt!!?
Die Dienste der freien Träger wurden in den letzten Jahren häufig in enger
Abstimmung mit dem Jugendamt weiterentwickelt. Bedingt durch die seit 2003
nicht mehr angepasste Förderung war es für die freien Träger unumgänglich
Effizienzreserven zu realisieren, um den vereinbarten Leistungsumfang und die
Qualität zu erhalten. In dieser Zeit fand eine tarifliche Erhöhungen der
Personalkosten von 3 - 4% und nicht gesondert bemessene Sachkostensteigerungen
u.a. 2007 die Mehrwertsteuererhöhung statt, die von den Trägern aufgefangen
wurden.
Das Jugendamt schlägt in der Ziffer C der Vorlage Umschichtungen im
Förderhaushalt zugunsten von Einzelanträgen freier Träger vor. In der Vorlage
sind die finanziellen Auswirkungen dieses Umschichtungsvorschläge in der Summe
und Konsequenz nicht dargestellt.
(2) Wir
bitten darzustellen, welche prozentuale allg. Steigerung sich danach für die
restlichen Dienste der freien Träger ergibt.
Wir beantragen deshalb
, die Zusatzbedarfe gesondert zu bewerten und dafür
zusätzlich Mittel in den Haushalt des Jugendamtes einzustellen. Eine Vermengung
der Sachverhalte halten wir für nicht sachgerecht und akzeptabel.
Die Dienste und Einrichtungen freier Träger sind historisch auf der rechtlichen
Grundlage der Stellung der freien Wohlfahrtspflege entstanden; freie Träger
haben subsidiär soziale Aufgaben übernommen. Sie haben dafür eigene Mittel
Spenden und personelles Engagement eingesetzt. Die Kommune hat diese Dienste
durch Zuwendungen unterstützt.
Heute ist Realität, dass der größere Teil dieser Dienste fest in das Netz
kommunaler Daseinsvorsorge eingebunden ist; die Dienste sind eingebunden in die
Jugendhilfeplanung der Stadt, die Arbeit geschieht auf der Grundlage
verbindlicher Konzepte und Leistungsvereinbarungen.
Teilweise
hat der Gesetzgeber sogar Rechtsansprüche für Leistungen der Bürger geschaffen,
z.B. in der Kinderbetreuung. Der Unterschied zu entgeltfinanzierten Diensten
auf gesetzlicher Grundlage besteht lediglich im Charakter der Dienstleistung
und in der weiterhin pauschalen nicht einzelfallabhängigen Finanzierung der
Leistungen.
Die
Finanzierungsbedingungen der Stadt haben diese Entwicklung nur sehr
eingeschränkt nachvollzogen. Die Liga der freien Träger hat deshalb bereits im
Januar vorgeschlagen z.B. durch zusätzliche vertragliche Vereinbarungen für
dieses Leistungsfeld die Planungssicherheit auf beiden Seiten zu erhöhen und
Verfahren zur stetigen Anpassung und Sicherstellung der oben angeführten
Zielsetzungen des Sozialreferates zu vereinbaren.
Im
entgeltfinanzierten Bereich sind bekanntlich Vereinbarungen und
Konfliktregulierungsverfahren z.B. in der Form von Schiedsstellen zwischen den
Leistungsträgern und Leistungserbringern selbstverständliche Praxis.
Die
‚Bittstellerpraxis’ im Zuwendungsbereich muss abgeschafft werden.
Zwischenzeitlich wurde vereinbart, ab 2008 hierzu eine gemeinsam tragfähige
Lösung zu erarbeiten. Wir haben diesem Aufschub zugestimmt, weil wir in den
Gesprächen den Eindruck gewonnen haben, dass das Anliegen von der
Bürgermeisterin und den Amtsleitungen verstanden und akzeptiert wurde.
Wir gingen
im Rahmen der immer wieder betonten Partnerschaft zwischen Stadt und freien
Trägern aber auch davon aus, dass angesichts der konstruktiven Mitwirkung der
Träger an der Haushaltskonsolidierung der Stadt eine Rückkehr zu verlässlichen
Refinanzierungs- und Förderbedingungen bereits im Haushalt 2008-2009 wie in
früheren Jahren auch selbstverständliche Praxis wieder hergestellt wird. Der
vorliegende Planentwurf wird diesen Erwartungen nicht gerecht.
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Antrag der Liga der Wohlfahrtspflege und der freien
Träger für 2008 + 2009
Die Liga hat für den Haushalt für 2008 eine Erhöhung um 3,8% und für 2009 um 2%
beantragt. Der Antragsbestandteil für 2009 ist in der Vorlage ohne Erläuterung
nicht berücksichtigt. Wir wiederholen deshalb hier den vollständigen Antrag für
2 Haushaltsjahre.
Der Antrag orientiert sich prospektiv an der Kostenentwicklung in den kommenden
beiden Jahren. Nach unserer Kenntnis muss mit einer Tarif-steigerung von 3%
plus x in 2008 gerechnet werden. Diese Einschätzung teilt auch der Kämmerer der
Stadt. Deshalb hat er bereits 2% Personalkosten-steigerung für die städt. Ämter
im Haushaltsentwurf berücksichtigt. Für die freien Träger, soweit sie nicht
ohnehin den TVÖD als Tarif anwenden, ist der TVÖD der Referenztarif. Daraus
ergibt sich
eine eindeutige bereits
jetzt zu berücksichtigende Kostenentwicklung.
Die
außerordentlichen Steigerungen der Energiekosten sind bekannt, die Stadt hat dies
bei Aufstellung ihres HH-Entwurfes für die städtischen Ämter und Dienste
gesondert berücksichtigt.
Die
unterschiedliche Behandlung der Dienste des Jugendamtes im Vergleich zu den
Diensten der freien Träger erschließt sich uns nicht.
(3) Wir
bitten deshalb hierzu um Erläuterung und Begründung.
Andere deutsche Großstädte haben in ihrer Haushaltsplanung der
Kostenentwicklung Rechnung getragen und für 2008 eine entsprechend verbesserte
Finanzierung gesichert. Die Stadt München beabsichtigt eine Erhöhung der
Zuschüsse an die Träger um 5%.
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Politische Schwerpunkte / Prioritäten und Sicherung sozialer
Grundversorgung
Die freien Träger sehen die besonderen Bedarfe im Ausbau der Betreuungs- und
Bildungsangebote für Kinder, die Zielsetzungen und hiermit verbundenen
Anstrengungen der Stadt werden mitgetragen und aktiv unterstützt. Die freien
Träger sind durch Übernahme zusätzlicher Aufgaben in vielen Fällen daran
unmittelbar beteiligt.
Für uns ist nicht nachvollziehbar, warum das Referatziel Ziff. 1.1 zur
Sicherung der sozialen Infrastruktur in der Finanzierung keine adäquate
Umsetzung erfährt. Die
Entwicklung der
Steuereinnahmen der Stadt und die insgesamt außerordentliche positive
Entwicklung des Haushaltes stehen im klaren Widerspruch zur dargestellten
Haushaltsplanung für diesen Bereich.
Diese
Planung löst zwangsläufig eine Leistungsreduzierung der bestehenden Dienste der
Grundversorgung aus, d.h. es findet eine Umverteilung zu Lasten der sozialen
Grundversorgung d.h. Beratungangebote, Mobile Jugendarbeit, Jugendhäuser und
zugunsten der aktuellen politischen Schwerpunkte in der Jugendhilfe statt.
Das halten
wir für falsch und nicht akzeptabel. Insbesondere die vom Jugendamt erst im
Sommer 2007 erstellte Gemeinderatsdrucksache zum Umbau der sozialen
Sicherungssysteme (GRDrs 350/2007) bietet dazu überhaupt keine Rechtfertigung.
Sie belegt bekanntlich eine stetige Zunahme der Armut in Stuttgart.
Neben der
Reduzierung des Leistungsumfanges kann aufgrund der für manche Träger bereits
2007 sehr angespannten wirtschaftlichen Situation auch die Rückgabe von
Diensten an die Stadt oder die Aufgabe nicht ausgeschlossen werden. Die
einzelnen Träger haben die Pflicht unternehmerisch zu wirtschaften, um die
erforderlich Zukunftssicherung für ihr Sozialunternehmen zu gewährleisten. Die
Träger haben bereits in den Konsolidierungsjahren zusätzlich Eigenmittel eingesetzt,
um zur Sicherung der sozialen Infrastruktur in Stuttgart beizutragen.
(4) An dieser Stelle muss die Frage nach dem Reduzierungs- oder
Anpassungskonzept des Jugendamtes auf der Basis des vorliegenden
Haushaltsentwurfes gestellt werden. Angesicht der bekannten Positionierungen
der Träger und dem vom Kämmerer aufgestellten Planentwurf für den Gemeinderat
bitten wir um entsprechende Bericht-erstattung bzw. Auskunft im Ausschuss.
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Konsequenzen einer Unterfinanzierung
Derzeit beträgt die Diskrepanz 2,8% für 2008 und 1% für 2009. Bei einem
Fördervolumen von 93 Mio. € ergibt sich eine Unterfinanzierung von 2,6 Mio. €.
Das sind umgerechnet 58 Vollkraftstellen. Daraus lässt sich das Volumen der
bereits benannten Leistungsminderung erkennen.
Die Träger werden Leistungsreduzierungen unmittelbar in 2008 beschließen und
umsetzen müssen. Ein Ausgleich durch weitere zusätzliche Eigenmittel oder durch
zusätzliche Spenden bzw. Stiftungsmittel ist ausgeschlossen. Die
Sozialverwaltung hat in den letzten Monaten selbst durch verschiedene
Mitteilungsvorlagen dem Gemeinderat über die auseinanderklaffende
Finanzierungsrealität in einzelnen Diensten berichtet. Daraus wird die
beschriebene Situation überdeutlich, auch wenn in einzelnen Feldern der
Jugendhilfe dankenswerterweise Sonderanpassungen während der
Haushaltskonsolidierung möglich waren und umgesetzt wurden.
(5) Unsere Anfrage zum Planjahr 2009: Welche Bedingungen gelten dann seitens
der Fachverwaltung: pauschale Erhöhung auf welcher Basis, erneut Umschichtungen
zulasten der pauschalen Mittel nach welchen Kriterien, auf welcher
Beschlussbasis?
Einzelne Mitglieder des Ausschusses werden im Anschluss an diese Ausfüh-rungen
noch detailliert Stellung beziehen. Ich bitte aber bereits jetzt um
Verständnis: solange seitens der Stadt keine Klarheit besteht, können auch die
Träger in ihren Trägergremien keine Beschlüsse fassen. Vorberatungen und
Berichte zum Sachstand haben stattgefunden, die dargestellten Positionen wurden
bestätigt.
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Dialogerwartung / Verhandlungslösungen
Abschließend bitten wir um Beantwortung unserer Anfragen und um die positive
Bewertung unserer Anträge.
Wir bitten
um eine offene Aussprache im Jugendhilfeausschuss als Fach-ausschuss. Dass die
Haushaltsdebatte an anderer Stelle geführt wird, ist unbestritten. Es kann aber
nicht sein, dass der Jugendhilfeausschuss an entscheidenden Punkten zum
Kenntnisnahmeausschuss degeneriert. Er hat nach unserer Meinung die Pflicht,
zur fachlichen Klärung sowie zur fachlichen Positionierung und
Prioritätensetzung in Bezug auf die gesetzten Ziele und die gesetzlichen
Aufgaben der Jugendhilfe beizutragen.
Wir Träger sind in unserer vielfältigen Arbeit das Aushandeln von Lösungen
gewohnt. Vertragspartnerschaft heißt das Ziel für die Zukunft. Diese Praxis ist
unseres Erachtens beim derzeitigen Verfahrensgang versperrt. Das bedauern wir sehr
und bitten dringend zu prüfen, wie wir den an alle Beteiligten gestellten
Anforderungen künftig besser gerecht werden können.
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Zusammenfassung der Anfragen
(1)
Erläuterung des Ansatzes von 1% Preissteigerungen im HH des
Jugendamtes
(2)
Erläuterung des verbleibenden Volumens und der prozentualen
Steigerung nach Abzug der Umschichtungsvorschläge des Jugendamtes
(3)
Erläuterung der unterschiedlichen Behandlung der Dienste des
Jugendamtes und der freien Träger
(4)
Reduzierungs- und Anpassungskonzept des Jugendamtes
(5)
Erläuterung des Vorgehens 2009: pauschale Erhöhung, erneut
Umschichtung, Kriterien?
Gez.