Mitte September 2019 wurde das Konzept bei einem Fachtag der Öffentlichkeit präsentiert. Eine gelungene Veranstaltung: "Durch die lebendigen Vorträge und Diskussionen war dies ein gelungener Fachtag, der zur Mäeutik und zum Haus passte”, so Joachim Treiber.
"Wir waren auf der Suche nach einem anderen Pflegemodell", sagt Joachim Treiber. Die Pflege, so Treiber, sei "inhaltlich und konzeptionell einfach schlecht aufgestellt". Zu viel orientiere sich nur noch an medizinischen Aspekten, nehme kaum mehr in den Blick, was ein Mensch kann. Menschen, die in Alten-und Pflegeheimen leben, "wollen aber auch hier einfach ein gutes Leben haben". Und das bedeute nicht immer, dass die Abläufe im Heim perfekt seien, sondern dass die Menschen als Menschen mit ihrer Geschichte und ihren Bedürfnissen ernst genommen werden.
Joachim Treiber und sein Team suchten nach einem Pflegemodell, das mehr "sozialpädagogisch agiere", sich aufbaut auf einer Beziehung zwischen den Menschen und danach sucht, was ein Mensch noch kann. Ein Pflegemodell, das auf Emphatie und auch Intuition der Mitarbeiter_innen beruht und diese als wichtige Kompetenzen in der Pflege wahrnimmt.
Sie fanden es im Mäeutischen Pflege- und Betreuungskonzept, entwickelt von der Niederländerin Dr. Cora van der Kooij. Der Begriff Mäeutik, wörtlich "Hebammenkunst", wird in Anlehnung an die Gesprächstechniken des griechischen Philosophen Sokrates im Sinne einer dialogischen Methode der Wahrheitsfindung verwendet. Dr. Cora van der Kooij versteht Mäeutik als "Hebammenkunst für das Pflegetalent". Lebenserfahrung, Empathie, Kreativität werden dabei in der Pflege als Ressourcen angesehen. Im Zentrum des Mäeutischen Pflege- und Betreuungskonzeptes steht die "erlebnisorientierte Pflege": wichtig ist die Beziehung zwischen den betroffenen Menschen und der Pflegekraft und es gehe darum, immer wieder positive Kontaktmomente zu schaffen.
Franziska Fröhlich, Pflegedienstleitung im Haus Adam Müller-Guttenbrunn sagt: "Mäeutik hat das Rad nicht neu erfunden. Das Konzept bringt uns aber alle wieder näher zusammen." Im Alltag der Pflege, " hat man uns die Normalität abtrainiert", so Franziska Fröhlich, "darüber ist uns das ganz normale Leben abhanden gekommen." Das Pflegekonzept der Mäeutik bringe diese Normalität wieder in die Pflege zurück. Es helfe dabei, eine positive Grundhaltung gegenüber den Bewohner_innen zu entwickeln, auch wenn das, etwa bei Menschen mit herausforderndem Verhalten, nicht immer einfach ist.
Das mäeutische Menschenbild geht davon aus, dass alle Menschen verletzlich sind. Und wer sich selbst als verletzlich versteht, der kann auch andere einfühlsam begleiten und sie besser verstehen. Das, was die Pflegenden mit den Bewohner_innen erleben und was sie beobachten wird im Mäeutischen Pflege- und Betreuungskonzept bewusst und strukturiert festgehalten. Ein wesentliches Instrument ist dabei der "Beobachtungsbogen", der Fragen zur Lebensgeschichte ebenso beeinhaltet, wie Gewohnheiten der Menschen oder besondere Persönlichkeitsmerkmale. Zum Konzept gehört ebenso, dass sich die Pflegeteams regelmäßig in sogenannnten "Bewohner_innenbesprechungen" austauschen mit dem Ziel, ein ganzheitliches Bild der Patienten zu erhalten. Auch die Angehörigen werden in den Pflegeprozess mit einbezogen. Dabei wird das Verhalten eines Menschen nicht gewertet, sondern angenommen im Sinne von: "Was macht ihn besonders?"
"Das mäeutische Pflegekonzept stellt die Pflege wieder auf die Füße", sagt Joachim Treiber. Das Konzept gebe der Pflege die Kompetenzen wieder, die sie als sozialer Beruf ursprünglich hatte.