Für nach Deutschland eingewanderte Menschen ist es eine große Herausforderung, sich im hiesigen "Bürokratiedschungel" zurechtzufinden. Die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE), die Beratungsstellen der Jugendmigrationsdienste (JMD) und die Bildungsberatung stehen den Menschen von Anfang an zur Seite. Sie helfen bei der Suche nach einem Deutschkurs und Kinderbetreuung, bei der Anerkennung von Abschlüssen, der Wohnungssuche und all den Fragen, die im Alltag auftreten können. Nicht nur die Zugewanderten selbst, sondern Behörden, Arbeitgeber, gesellschaftliche Institutionen und viele mehr profitieren von dieser Beratung. "Es ist mir unverständlich, warum hier der Rotstift angesetzt wird. Diese bewährten Strukturen zu zerstören, wäre fatal", warnt Sabrine Gasmi-Thangaraja, Leiterin des Bereichs Migration und Integration bei der Stuttgarter Caritas sowie Sprecherin des Fachausschusses Migration der LIGA Stuttgart. "Integration braucht eine langfristige Perspektive, verlässliche Strukturen und Kompetenzen. Daher der dringende Appell, die bisherige Förderung mindestens zu sichern und zu erhöhen, um den massiv gestiegenen Beratungsbedarf zu decken."
Ähnlich äußerte sich Sozialbürgermeisterin Dr. Alexandra Sußmann bei der Veranstaltung im Stuttgarter Rathaus: "Die Unterbringung von geflüchteten Menschen ist der erste Schritt, der aktuell viel diskutiert wird. Das Wichtigste ist allerdings die Integration - und da leisten die Mitarbeitenden in der Migrationsberatung wichtige Arbeit. Die Auswirkungen der beschlossenen Kürzungen sind für uns in Stuttgart schon greifbar. Da der Wohlfahrtsbereich so essenziell und wichtig für die Integration von Geflüchteten ist, ist es für mich unverständlich, dass in diesem Bereich gespart werden soll."
Bei der Veranstaltung im Rathaus kamen auch die Ratsuchenden selbst zu Wort: "Ich bin sprachlos und unendlich dankbar für die Hilfe, die ich bei der Migrationsberatung erhalten habe. Der Weg, den ich gegangen bin, wäre unmöglich gewesen ohne deren Hilfe", sagte Mohammed Yonus Khan Noori aus Afghanistan. Diana Burdeina aus der Ukraine ergänzte: "Durch die Hilfe der Migrationsberatung habe ich einen neuen Lebenssinn in Deutschland gefunden. Die Mitarbeitenden haben mir bei der Anerkennung meiner Dokumente, der Teilnahme an einem Sprachkurs und meiner Studienwahl geholfen. Ich wünsche mir, dass viele weitere Geflüchtete diese Hilfe erhalten."
Beim Abschlusspodium mit Bernd Riexinger (MdB DieLinke), den Stadträt_innen Bianka Durst (CDU), Dr. Maria Hackl (SPD), Luigi Pantisano (DieFraktion), Gabriele Nuber-Schöllhammer (Bündnis90/ Die Grünen), Friedhelm Nöh (stellv. Sprecher der Liga der Wohlfahrtspflege Stuttgart) und Ayse Özbabacan (Abteilung Integrationspolitik) waren sich alle Beteiligten einig, dass die drohenden Kürzungen im Bundeshaushalt nicht hinnehmbar seien und gemeinsam dagegen vorgegangen werden müsse.
Die Veranstaltung im Stuttgarter Rathaus war eine Kooperationsveranstaltung der Stuttgarter Träger der Freien Wohlfahrtspflege und der Abteilung Integrationspolitik der Landeshauptstadt Stuttgart anlässlich des jährlichen bundesweiten Aktionstages der MBE und JMD. Die Veranstaltung war gut besucht und es gab zahlreiche Interessierte aus dem Kooperationsnetzwerk: Stadträt_innen, Vertreter_innen der Abteilung Integrationspolitik, der Agentur für Arbeit, Ausländerbehörde Stuttgart, Jobcenter, Joblinge, Sozialamt, Sprachkursträger, Stuttgarter Bildungspartnerschaft, Welcome Center Stuttgart, Mitarbeitende und Ratsuchende der Träger sowie Ehrenamtliche.
Fakten zu den geplanten Kürzungen
Bei Beratungsstellen für erwachsene Zugewanderte sind Kürzungen von 81,5 Millionen Euro in 2023 auf 57,5 Millionen Euro in 2024 geplant - das entspräche einer Kürzung um 30 Prozent. Dabei sind in 2022 rund 2,7 Millionen Menschen nach Deutschland zugewandert.
Migrationsberatung in Stuttgart
Der "Stuttgarter" Weg sieht vor, dass Geflüchtete nach dem Auszug aus der Unterkunft in Privatwohnraum noch ein Jahr extern von den Mitarbeitenden der Flüchtlingsunterkunft beraten werden können, danach sind sie an die Migrationsberatungsstellen angebunden. Die Migrationsberatung kann also sowohl von Zugewanderten als auch von Geflüchteten nach Auszug aus der Unterkunft in Privatwohnraum nach einem Jahr aufgesucht werden. In Stuttgart unterstützen Mitarbeitende der Migrationsberatung bei den Trägern AGDW, AWO, Caritas Stuttgart, eva, Invia, ViJ, LmDR, DJR und IRGW Menschen beim Ankommen und Einleben.
Migrationsberatung bundesweit
Die Migrationsberatung in Deutschland bietet seit 2005 professionelle sozialpädagogische Beratung für erwachsene Zugewanderte, unter anderen beim Zugang zu Bildung, der Erlangung eines Aufenthaltstitels, dem Erlernen der deutschen Sprache oder der Integration in den Arbeitsmarkt. Gefördert wird das Programm vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), getragen durch die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege und dem Bund der Vertriebenen (BdV). Bundesweit gibt es 1.285 Beratungsstellen unterschiedlicher Träger. In 2022 wurden in der Migrationsberatung 315.000 Beratungsfälle gezählt. Zuzüglich der 242.000 mitberatenen Familienangehörigen konnten bundesweit 557.000 Personen erreicht werden. Quelle: Geplante Kürzungen im Bundeshaushalt gefährden sozialen Frieden (caritas.de)