"Sparen wir nicht an den Ärmsten"
Ein Spind, ein Metallbett, darauf eine dünne Decke und ein Kissen in eine Folie verpackt, so sieht eine Übernachtungsmöglichkeit in einer Stuttgarter Notunterkunft aus. Am Tag der Wohnungslosen am 11. September stand dieses Bett beispielhaft auf dem Stuttgarter Marktplatz. Viele Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfe wie der Schlupfwinkel, die Ambulante Hilfe und Lagaya waren mit Ständen präsent und haben darüber informiert, wie sich das Leben anfühlt, wenn man keine feste Bleibe hat und welche Hilfen für Menschen ohne Obdach angeboten werden.
"Politik in die Pflicht nehmen - Wohnungsnot beenden" war das Motto des Aktionstags, der in der ganzen Bundesrepublik begangen wird. Sabine Henniger, Vorständin der eva (Evangelische Gesellschaft e.V., hat in ihrer Rede auf dem Stuttgarter Marktplatz an die politische Agenda erinnert: Bis 2030 soll es keine Wohnungsnot mehr geben. So hat es zumindest die vorige Bundesregierung beschlossen - und daran hält auch die jetzige Regierung fest. Der Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit wird umgesetzt, steht im aktuellen Koalitionsvertrag. Gefordert seien dabei auch das Land und die Kommunen, die "die letzte Verantwortung tragen", so Sabine Henniger. Es brauche für diese große Aufgabe gezielte Förderprogramme. Der angekündigte städtische Sparhaushalt in Stuttgart bereite dabei große Sorgen. "Sparen wir nicht an den Ärmsten, sondern halten wir daran fest, das Elend zu verringern", appellierte die eva-Vorständin an die politisch Verantwortlichen.
Unter den rund 5500 wohnungslosen Menschen, die in Stuttgart von den Hilfesystemen erreicht werden, "seien auch Kinder, Jugendliche und Familien", betonte Alexandra Stork, Vorständin des Caritasverbands für Stuttgart e.V. Die wachsende Anzahl von Pflegebedürftigen stelle die Einrichtungen vor neue Herausforderungen: "Heute müssen wir in der ordnungsrechtlichen Unterbringung Windeln vorhalten. Das war früher nicht so." Angesichts der wirtschaftlichen Lage sei damit zu rechnen, dass noch mehr Menschen in prekäre Lagen kommen werden. "Wir müssen im Hilfesystem gut aufgestellt sein, damit die soziale Sicherung und der soziale Friede gewährleistet bleiben", so Stork weiter.
Zum Tag der Wohnungslosen hat die Ambulante Hilfe e.V. eine eindrucksvolle Fotoausstellung im Stuttgarter Rathaus eröffnet. Im 3. Obergeschoss sind 30 Schwarzweiß-Bilder von "Menschen in Armut und Wohnungsnot" zu sehen, die der Sozialarbeiter und Fotograf Manfred E. Neumann über einen Zeitraum von 40 Jahren fotografiert hat. Keine Schnappschüsse, sondern kunstvoll arrangierte Ausschnitte der Lebenswelt von Menschen am Rand der Gesellschaft. Neumann kommt ihnen nahe, aber er stellt sie nicht bloß. Noch bis zum 3. Oktober ist die Ausstellung zu sehen.
Text: Dorothee Schöpfer (eva)