"Heute ist der beste Tag" - Geflüchtete Kinder bemalen die Wände ihres Zuhauses
Hosam ist 12 Jahre alt und kam vor drei Jahren aus Damaskus nach Deutschland. "Wegen Krieg", sagt er. Sarhad ist ein großer BVB Fan, spielt selbst in der C-Jugend bei den Stuttgarter Kickers und wohnt, wie Hosam, in der großen Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Bürgerhospital in der Tunzhofer Straße in Stuttgart. Beide Hände hat Sarhad dick mit gelber Farbe bestrichen und bedruckt damit sein T-Shirt in den Farben seines Lieblingsclubs. Sarhad komm aus dem Irak und ist mit seinen Eltern vor dem Krieg dort geflüchtet. Ob er sich noch an die Zeit im Irak erinnert? Ja, sagt er und gibt noch mehr gelbe Farbe auf seine Hände: "Ich habe gesehen, wie sie Menschen genommen haben und …" , dann macht seine dick mit gelber Farbe bestrichene Hand eine rasche Bewegung über den Hals, "Kopf ab". Hiba, das Mädchen, das immer freundlich lächelt, ist auch aus dem Irak nach Deutschland gekommen. Sie ist heute neun Jahre alt und kann sich an die Ereignisse dort nicht mehr erinnern. Vielleicht will sie es auch nicht. Wie Shavin - sie ist 14 Jahre alt und eigentlich will sie wieder zurück in ihre irakische Heimat. "Ich würde gerne dort spielen und einkaufen gehen", sagt sie. Und später, so ihr Traum, "da will ich mal Kinderärztin werden". Hosam, Sarhad, Hiba und Shavin sind Kinder, die zusammen mit anderen Buben und Mädchen im Alter von sechs bis 14 Jahren einmal in der Woche in die Kindergruppe in der Tunzhofer Straße kommen.
Seit Februar 2018 leitet Dr. rer.nat. Leticia Castrechini-Franieck zusammen mit ihrem Kollegen Niko Bittner, im Rahmen von Omid - frühe Hilfen für traumatisierte Flüchtlingen - eine Flüchtlingskindergruppe in der Tunzhofer Straße. Leticia Castrechini-Franieck hat lange mit Straßenkindern und zuletzt in einer Jugendvollzugsanstalt gearbeitet, Niko Bittner ist Schulsozialarbeiter. "Zusammen sind wir stark" lautet das Motto der Gruppe. Beide sind für die Kinder "einfach da". Die Kinder, so beschreiben es die beiden in einem Bericht zum Projekt, leiden unter dem "emotionalen Verlust ihrer eigenen Eltern". Die Eltern seien auf Grund der Flucht oft nicht mehr in der Lage, "ihre Kinder zu unterstützen und zu schützen, in dem Ausmaß, wie das in der Vergangenheit möglich war".
Was in der Kindergruppe nun versucht wird, ist diese "äußere Stabilität", die ein Kind braucht, wieder zu finden. Und das vor allem im Spiel: So gehören Spiele jede Woche zum Standardprogramm und Ritual der Gruppe - auch solche, mit denen ganz gezielt Aggressionen abgebaut werden können.
Hiba, Shavin, Sarhad und Hosam sowie Emrullah, Aido und Zito durften nun in einer besonderen Malaktion Wände im Flur ihrer Unterkunft streichen. Die Kinder hatten Spaß bei der Aktion und schenkten damit auch der ganzen Gemeinschaft im Haus herrlich gebe Wände, wo vorher Gekritzel und Tristesse war. Und sie bemalten nebenbei noch T-Shirts. Die ziehen sie bald an, denn zur Belohnung dürfen alle Kinder auf einen Ausflug. Wohin der gehen soll? Da sind sich alle einig: "Ins Schwimmbad". Hiba hat das kaum trockene T-Shirt schon mal übergezogen. "Heute" und dabei strahlt sie über das ganze Gesicht, "ist der beste Tag."