10. Stuttgarter Altenpflegetag
Pflege reagiert auf gesellschaftliche Veränderungen: Die Menschen werden im Schnitt heute älter als früher, viele erleben das Alter bei guter Gesundheit, können noch aktiv am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Daneben nimmt aber auch die Zahl derer zu, die unter altersbedingten Krankheiten leiden, auf mehr Pflege und Unterstützung angewiesen sind, damit auch sie möglichst selbstbestimmt am Leben in der Gesellschaft teilhaben können.
Welche Aufgaben auf Einrichtungen und alle an der Pflege Beteiligten zukommt, darüber diskutierten die Referenten Prof. Dr. Andreas Kruse, Direktor des Institutes für Gerontologie an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg, Alexander Gunsilius von der Abteilung Sozialplanung, Sozialberichterstattung und Förderung beim Sozialamt der Stadt Stuttgart und Ingrid Hastedt, Vorstandsvorsitzende des Wohlfahrtswerkes für Baden-Württemberg mit den rund 400 anwesenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus den verschiedenen Einrichtungen der Altenpflege in Stuttgart. Ihnen und den Trägern der Altenhilfe galt der Dank, den Bürgermeister Werner Wölfle, im Namen der Stadt überbrachte: "Wir sind auf das Engagement der Träger angewiesen, die sich den Herausforderungen stellen."
Herausforderungen, die Professor Kruse in seinem Vortrag skizzierte. Dabei gehe es, so der Gerontologe darum, wie unsere Gesellschaft "mit den Verlusten, die im hohen Alter auftreten umgeht". Wichtig seien neben den Rahmenbedingungen vor allem die "ethische Grundlagen unseres Tuns". Damit Werte wie Würde, Selbstbestimmung und Teilhabe uneingeschränkt für alle Menschen gelten, kommt vor allem den Menschen, die in der Pflege arbeiten, eine wichtige Aufgabe zu: "Sie helfen, dass Würde im Alltag verwirklich werden kann".
Damit das gelingen kann, braucht es freilich nicht nur das Engagement der Träger und den Einsatz der Pflegenden. "Wir brauchen die institutionellen Rahmenbedingungen, unter denen fachliche und ethische Pflege stattfinden kann", fordert Professor Andreas Kruse. Das Zweite Pflegestärkungsgesetz (PSG II) ist für Kruse dabei von "allergrößter Bedeutung". Mit ihm werde die Pflege nicht mehr darauf konzentriert "Fertigkeiten zu kompensieren" sondern im Mittelpunkt steht die Sorge um die Autonomie und Teilhabe des Menschen.
Kruse zeigte sich in Stuttgart als Befürworter der generalistischen Pflegeausbildung. Die Stärken der Altenpflege, die Kompetenzen der Krankenpflege könnten sich hier ergänzen. Auf viel Zustimmung im Publikum stieß Andreas Kruse mit seiner Forderung nach einer gerechteren Entlohnung für Menschen, die in der Pflege arbeiten. Der Lohnabstand zu den Medizinern sei "viel zu hoch". Dass eine "Pflegelohnregelung in Zusammenhang mit Mindestlohn gebracht wird, ist ein Skandal." Sein Appell daher ganz deutlich: "Es reicht nicht aus, dass wir die Pflegenden immer nur loben."
Pflege braucht gute institutionelle Rahmenbedingungen, gerechte Löhne und Zeit, die nötig ist, "um darüber nachzudenken: "Wie handle ich im Angesicht eines Menschen?" Dabei müsse Pflege in Zukunft im Sinne "von Sorgebeziehungen" formuliert werden. Zu diesen Beziehungen gehören nicht nur die Profis in der Pflege, sondern auch Familienangehörige, Nachbarn, Netzwerke in den Städten und Quartieren. Diese zusammenzubringen und auch zu moderieren könnte eines der Aufgabenfelder sein, die zukünftig vermehrt auf die Pflegenden zukommen.
"Ein Pflegearrangement aufzubauen könnte ein Teil der Pflege sein", unterstrich auch Alexander Gunsilius , der die Pflege der Zukunft aus der Sicht der Stadt Stuttgart schilderte und dabei auch die wichtige Rolle der Träger hervorhob: "Es ist bemerkenswert, wie sie in ihr Quartier hinein wirken." Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei es, Pflegesettings zu schaffen, die wohnortnah, finanzierbar auf die Bedürfnisse der Menschen eingehe. Für Ingrid Hastedt vom Wohlfahrtswerk ist es wichtig, dass Menschen "Wahlmöglichkeiten haben". Pflege der Zukunft kann im eigenen Haus sein, wo Technik den Menschen in seinem Alltag unterstützen kann und weiterhin auch in größeren Einheiten. Heime bieten für viele Menschen ein mehr an Kontakten, verfügen über geschützte Räume, in denen die Bewohner mobil sein können. Die Pflege der Zukunft steht für Ingrid Hastedt auf drei Säulen: "Ja zur Vielfalt, Ja zum Heim und Ja zu einem breiten Berufe-Spektrum".
Den Fachtag abgerundet hat die Komikerin und Kabarettistin Sybille Bullatschek, die sich in humoristischer Weise der Altenpflege annahm und Ausschnitte aus ihrem Programm "Volle Pflägekraft voraus!" und "Pfläge lieber ungewöhnlich!" präsentierte.